Wahlprogram 2020

Stadt für alle, denn Vielfalt ist unsere Stärke

Programm der Grün- Offene Liste Migration zur Integrationsratswahl am 13.09.2020 

Auf dem Weg in die Integrationsgesellschaft

Wir waren schon immer vielfältig, und werden es immer weiter sein, aber unsere Strukturen im Umgang dieser Vielfalt sind es nicht, bzw. noch nicht. Es sind also Ideen und Konzepte gefragt, die den gesellschaftlichen Öffnungsprozess voranbringen und die Integration von möglichst Vielen in möglichst Vielem ermöglichen. Der Vielfaltsgedanke greift die Idee der Gestaltung einer pluralistischen Einwanderungsgesellschaft auf. Integration ist ein Gesellschaftskonzept, den alle Beteiligten chancengerecht mitgestalten müssen.   

Dafür bedarf es Kompetenzen, die es ermöglichen sowohl ein positives Verständnis von Vielfalt als auch Handlungsmöglichkeiten in diesen Rahmen zu entwickeln. Dazu gehört es auch, Haltung zu zeigen und diskriminierungssensibles, rassismuskritisches Denken und Handeln einzufordern und verantwortungsvoll in der Praxis umsetzen.

Der Umgang mit Vielfalt setzt die bewusste Entscheidung voraus, Verschiedenheiten wahrzunehmen, sie anzuerkennen und als gleichwertig und gleichrangig zu akzeptieren. Um eine an der Vielfalt ihrer Mitglieder orientierte Gesellschaft zu fördern, braucht es zum einen das Empowerment der (noch) nicht Partizipierenden. Zum anderen braucht es Sensibilisierung, gerade auf der institutionellen Ebene: Verwaltungseinheiten und Einrichtungen müssen ihr Wissen und ihre Handlungskompetenzen um Diversität und Rassismuskritik weiterentwickeln. Wir schreiben aus dieser Haltung heraus unser Programm fort und orientieren uns an den in der Verfassung garantierten Grundrechten und den folgenden Grundgedanken: Solidarität, Gleichstellung und das Recht auf Migration.

1. Solidarität – Die Herausforderung eine Gesellschaft der Vielfalt zu gestalten, bezieht sich nicht nur auf die Integrationsmaßnahmen für Menschen, die neu nach Köln kommen. Es geht insgesamt um die Frage: Wie kann eine Stadtgesellschaft mit den heterogenen Bedarfen und Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen umgehen?

Integration ist mehr als der Umgang miteinander in ethnischer und kultureller Vielfalt. Es geht um die Gestaltung einer sich verändernden Gesellschaft unter der Annahme, dass Veränderungen kontinuierlicher Bestandteil des städtischen Lebens sind.
Wie kann also ein auf Miteinander aufbauendes Zusammenleben aussehen und welche Schritte sind dazu notwendig? Wie kann Solidarität in einer Stadtgesellschaft gestaltet und gelebt werden? Wie ermöglichen wir eine Form von Solidarität, die sich aus Empathie zu den unterschiedlichsten Lebensbedingungen und Lebenswelten speist? Wie kann Solidarität unter der Realität von machtdurchzogenen Beziehungen gedacht und so ausgerichtet werden, dass wir strukturellen Rassismus und institutionelle Diskriminierung verhindern können?

Das Ziel der Solidarischen Haltung bedeutet: Alles was getan wird, soll allen zu Gute kommen, bzw. möglichst alle Bedarfe und Bedürfnisse berücksichtigen. Solidarität in unterschiedlichen Lebensbereichen nicht nur zu befürworten, sondern aktiv zu leben ist eine gemeinsame Angelegenheit und bedeutet sich um das Wohl aller zu kümmern. Diese Haltung soll unser Anspruch sein, an dem wir unsere Maßnahmen messen wollen.

2. Jeder Mensch hat das Recht zu migrieren – Überall auf der Welt. Deswegen sollten Ankommensorte nicht nach der Frage gestaltet werden: „Wie gehen wir mit „denen“ um?“. Die Frage sollte lauten: „Was braucht ein Mensch, wenn er migriert? Wie funktioniert Migration in Würde?“ Wenn sich alle Orte auch als Ankommensorte verstehen, können sich Lebensbedingungen angleichen und strukturelle Ungleichheiten abgefedert werden. Die Priorität liegt damit auf der Ausgestaltung und Umsetzung entsprechender Strukturen, die es auf allen Ebenen (politisch, sozial, institutionell, strukturell) zu organisieren gilt.

Während nach Art. 3 GG alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, zeigen Erfahrungen in der Realität andere Ergebnisse. Deshalb geht es bei beiden Gedanken nicht um Minderheitenpolitik, sondern um Gleichstellungspolitik, die politische Handlungskonzepte auf individuelle Lebensumstände ausrichtet.

Eine solidarische Haltung, die Gleichstellung und das Recht auf Migration fokussieren keine Problemlagen, sondern Chancen. Die Grün Offene Liste schätzt die Kölner Stadtgesellschaft als heterogene Gemeinschaft mit allen damit verbundenen Stärken und individuellen Potenzialen. Wir nehmen die Herausforderung an, Menschen zu stärken, ihre Ressourcen zu nutzen und an der Stadtgesellschaft zu partizipieren. Dafür entwickeln wir verschiedene Angebote und stellen entsprechende Forderungen an die zuständigen Instanzen.

Zur aktuellen Situation

Während der Umgang mit der Coronavirus-Pandemie, das Einführen und das Durchsetzen von Infektionsschutzmaßnahmen und Lockerungen dieser Maßnahmen die Welt fest im Griff haben, werden die Ungleichheiten, die auch schon vorher bestanden, verstärkt. Die Maßnahmen zur Eindämmung von Infektionen betreffen alle, aber sie treffen nicht alle gleich. Es zeigt menschengemachte, strukturelle Missstände auf. Soziale Ungleichheiten und die ungleiche Verteilung von Chancen und Ressourcen werden vergrößert und klar ist, dass strukturelle Ungleichheiten auch schon vor der Coronavirus-Pandemie vorhanden waren. Wenn Maßnahmen von der Normalvorstellung einer privilegierten Perspektive gedacht und umgesetzt werden, werden soziale Ungleichheiten – wieder und immer noch – reproduziert, verstärkt und im schlechtesten Fall festgeschrieben. Alle staatlichen Maßnahmen, die jetzt getroffen werden, müssen die Auswirkungen gerade auf vulnerable Gruppen mitdenken.

Gerade die mangelnde politische Verantwortungsübernahme bei der Aufnahme von Menschen, die fliehen, motivieren uns Fürsprecher*innen sein zu wollen. Wir wollen die Stimmen derer verstärken, die viel zu wenig gehört werden: Menschen auf der Flucht. Humanitäre Programme auf der ganzen Welt sind derzeit eingestellt. Laut UN befinden sich über 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Die einzige „humanitäre“ Maßnahme der letzten drei Wochen: Luxemburg und Deutschland, in der letzten Woche durch Bonn, haben zusammen lediglich 69 Kinder und Jugendliche aufgenommen, die ohne ihre Eltern fliehen mussten. Wir fragen uns, unter welchen „humanitären“ Gesichtspunkten diese Maßnahme zu verantworten ist. Und wir finden keine Antwort.Die Grenzen sind für viele Menschen zu – auch Menschen mit einem gültigen Visum können nicht nach Deutschland einreisen. Das ist insbesondere in Fällen der Familienzusammenführungen aus Syrien sehr kritisch, schließlich ist Syrien ein Kriegsgebiet. Die Situation in der Türkei, in Libyen und auf den griechischen Inseln ist beschämend für uns alle. Denn sie zeigt: die Würde des Menschen ist abhängig von seinem Geburtsort.

Insbesondere unter Gesichtspunkten der Mobilität einer globalisierten Welt – und dem Recht auf Migration – ist das im 21. Jahrhundert weder haltbar noch zeitgemäß.

Was können wir auf kommunaler Ebene tun?

Staatliche Entscheidungen müssen Heterogenität und Vulnerabilität unterschiedlicher Gruppen berücksichtigen, um entschieden und effektiv gegen Ungleichheiten vorzugehen. Allerdings ist es für einzelne Personen unmöglich, so viele Informationen und Bedarfe entsprechend in staatliches Handeln umzuwandeln. An den einzelnen Entscheidungen wird deutlich, dass Auswirkungen dieser auf bestimmte Gruppe nicht oder nicht ausreichend mitgedacht wurden. Es gibt aber Menschen, die diese Perspektiven kennen. Deswegen fordern wir:

  • Erarbeitung und Fortschreibung einer Checkliste für kommunale Maßnahmen: Wer wird wie und in welcher Form berücksichtigt? Gerade im Rahmen der Infektionsschutzbedingungen geraten vulnerable Gruppen aus dem Blickfeld. Mit der Checkliste sollen Entscheidungsträger*innen ein Instrument an die Hand bekommen, das sie für die Berücksichtigung möglichst aller Stadtbewohner*innen sensibilisiert und die angedachten Maßnahmen dahingehend ausrichtet.
  • Ausstattung aller Unterkünfte wie bspw. Unterkünfte für geflüchtete Menschen, und für Menschen ohne Obdach in städtischer/ kommunaler Trägerschaft mit Internetzugang/WLAN/ Freifunk.
  • Ausbau der digitalen Lern- und Arbeitsplätze in Bibliotheken, VHS, Schulen und weiteren von städtischer Seite getragenen Einrichtungen
  • Ausbau der digitalen Infrastruktur (WLAN/Freifunk) an öffentlichen Plätzen
  • Mindeststandards konsequent weiterverfolgen und die dezentrale Unterbringung in Wohnungen weiter forcieren: Das erfolgreiche städtische Projekt „Auszugsmanagement“ weiter stärken.

Zu unserem Programm: Unsere Ideen für Köln

1. Politische Teilhabe

2. Stadtverwaltung

3. Soziale Infrastruktur und Gesundheitsversorgung

4. Gegenwartsbewältigung

5. Ökologische Stadtgestaltung

6. Bildung (KITA, Schulen, Studium, Übergang Schule Beruf)

7. kulturelle Teilhabe und Freizeit

8. Medien

9. Mobilität

10. Wohnen

11. Arbeit

1. Politische Teilhabe

Kommunales Wahlrecht

Ein wesentlicher Bestandteil für die Partizipation in einer Demokratie auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen ist das Wahlrecht. Alle Menschen, die dauerhaft in Köln leben, sollen das Recht erhalten, die Politik mitzugestalten und mitzubestimmen. Wir werden uns weiterhin dafür stark machen, dass auch Nicht-EU-Bürger*innen kommunales Wahlrecht erhalten. Dafür ist eine Gesetzesänderung auf Bundesebene notwendig. Aber auch die Landesregierung hat die Möglichkeit mit einer Änderung der Landesverfassung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Einbürgerung

Wir fordern die Erleichterung von Einbürgerungen, indem Grundrechte für alle in Deutschland geborenen Kinder, unabhängig des Aufenthaltsstatus ihrer Eltern, gelten. Wir setzen uns dafür ein, dass die Einbürgerung unter Beibehaltung der vorherigen Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger*innen erleichtert wird.

Kommunale Mitbestimmung

Am Ende dieser Ratsperiode werden aller Voraussicht nach dem Integrationsrat mehr Kompetenzen und das Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung der Mittel für die interkulturellen Zentren der Stadt Köln zugesprochen. Daran haben wir als Grüne offene Liste (GOL) mit der Unterstützung der Grünen Ratsfraktion lange gearbeitet. Das ist ein großer Erfolg der GOL! Wir begrüßen diese Entwicklung sehr und hoffen, dass der Rat der Stadt Köln, dies auch in seiner letzten Sitzung auch in dieser Form beschließt! Falls dies nicht eintreffen sollte, werden wir uns in der neuen Ratsperiode dafür einsetzen und auf den Mehrheitsbeschluss im Integrationsrat pochen.

Darüber hinaus fordern wir mehr Mitbestimmung im Integrationsrat. Seit 2015 haben Migrant*innen und eingebürgerte deutsche Staatsbürger*innen in Köln mehr Möglichkeiten der politischen Willensbildung und -äußerung. In den letzten Jahren konnte der Integrationsrat in seiner Arbeit gestärkt und weiter professionalisiert werden. Wir halten es für unbedingt notwendig, diese Rechte weiter auszubauen. Der Integrationsrat muss so weit gestärkt werden, bis er den Status eines gleichwertigen Ratsausschusses mit der Möglichkeit Anträge für den Haushalt zu stellen erhält. Als einen ersten Schritt werden wir uns für das Stimmrecht in allen Ausschüssen einsetzen. In der nächsten Ratsperiode wollen wir in allen Ausschüssen vertreten sein und eine entsprechende Struktur zur Aufbereitung der Themen aufbauen. Denn die Hauptsatzung der Stadt Köln besagt, dass der Integrationsrat in allen wichtigen Angelegenheiten hinsichtlich der Interessen der Kölner Migrant*innen zu informieren und vor der Beschlussfassung durch den Rat zu beteiligen ist. Wir fordern, dass dies über ein Lippenbekenntnis hinausgeht. Migration prägt alle Bereiche unserer Gesellschaft. Deshalb müssen wir auch in allen Bereichen Mitspracherechte haben.

2. Stadtverwaltung

Die Stadtverwaltung soll die Bevölkerung Kölns widerspiegeln. Gleichzeitig muss der Personalmangel in der städtischen Verwaltung verringert werden. Dafür müssen zunächst der Personalmangel und die Qualifikation des Personals angegangen werden.

2.1 Stärkung und Unterstützung der Ämter und Behörden

Wir tragen dazu bei, die Verwaltung in der Bewältigung ihrer Aufgaben zu entlasten und zu unterstützen. Zwei Leitlinien sind dabei zu berücksichtigen.

  1. Durch engere Zusammenarbeit mit lokal und stadtteilübergreifend agierenden freien und sozialen Trägern, „Interkulturellen Zentren“, unabhängigen Beratungsstellen und weiteren (kleinen und großen) Organisationen und Initiativen, können gemeinsam konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Die Träger decken nicht nur an Lebenswelten orientiere Bedarfe auf, sie stehen darüber hinaus in ihrer Funktion als Unterstützungs- und Vermittlungsnetzwerke zur Verfügung.
  2. Außerdem fordern wir eine Perspektiverweiterung auf Verwaltungsebene, indem die in der Stadtbevölkerung Kölns (und außerorts) vorhandenen Potenziale, Qualifikationen und Kompetenzen entsprechend genutzt und eingesetzt werden.

Diese Schritte möchten wir anregen:

  • Verkürzung des Einstellungsverfahrens bei der Stadt Köln auf einen Monat
  • Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren: Kein Foto
  • Explizite Förderung der Einstellung von mehrsprachigem Personal
  • Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle in der Stadtverwaltung für Diskriminierungsfälle innerhalb der Verwaltung
  • Stellenausschreibungen, die angeforderte Kompetenzen transparent machen

2.2. Diversitätssensible und rassismuskritische Öffnung

Auch durch unsere Arbeit wurde das Konzept der integrativen Stadtgesellschaft verabschiedet. Die diversitätssensible und rassismuskritische Öffnung der Verwaltung wurde vom Kölner Rat als Schwerpunkt des Kommunalen Integrationszentrums Köln (KI) festgelegt. Der Anteil städtischer Auszubildender mit Migrationshintergrund ist durch die stärkere Berücksichtigung diversitätssensibler und rassismuskritischer Aspekte auf inzwischen etwa 33 Prozent gestiegen.

Allerdings sehen wir auch die Notwendigkeit, alle Maßnahmen, die im Konzept der integrativen Stadtgesellschaft beschlossen wurden, kritisch zu hinterfragen, die Ausbildungsoffensive in der inhaltlichen Ausrichtung zu optimieren und die Zahlen der Auszubildenen mit Zuwanderungsgeschichte insgesamt zu erhöhen. Wir fordern aber auch, dass perspektivisch der Anteil der Beschäftigten mit Zuwanderungsgeschichte in allen Bereichen, insbesondere im gehobenen Dienst und auf allen Ebenen der Stadtverwaltung, dem Anteil der Stadtgesellschaft entspricht.

Darüber hinaus müssen diversitätssensible und rassismuskritische Kompetenzen der Beschäftigten langfristig verbessert werden. Bei der Beauftragung von Trägern muss deren diversitätssensible und rassismuskritische Ausrichtung als Kriterium berücksichtigt werden. Die Kompetenzen des Personals sowie die Ausrichtung von Trägern, die mit ihrer Arbeit Diskriminierung aktiv entgegenwirken, sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg der notwendigen diversitätssensiblen und rassismuskritischen Ausrichtung der Angebote und Dienste.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass regelmäßige und verpflichtende Fort- und Weiterbildungen städtischer Angestellter, insbesondere des Führungspersonals und verbundener Unternehmen zu diversitätssensibler und rassismuskritischer Kompetenz, Intersektionalität und Postkolonialismus stärker forciert und umgesetzt werden. Fort- und Weiterbildungen in regelmäßigem Turnus sind unumgänglich, um der Verantwortung gerecht werden zu können, das Zusammenleben einer sich ständig verändernden städtischen Gesellschaft zu gestalten. In Köln gibt es genügend Anlaufstellen und Vereine, die diese Expertise haben und geeignete Schulungen durchführen können bzw. das bereits tun.

Mit dem Dreiklang, Teilhabe der Migrant*innen, diversitätssensibler und rassismuskritischer Kompetenz der Beschäftigten und der Ausrichtung der städtischen Leistungen und sozialen Dienste, wird die diversitätssensible und rassismuskritische Öffnung den Bedarfen angemessen gestärkt werden.

Eine Schwerpunktaufgabe des Kommunalen Integrationszentrums (KI) Köln ist die Begleitung und Koordination der sukzessiven Weiterentwicklung der diversitätssensiblen und rassismuskritischen Öffnung der Verwaltung. Die Grün-Offene Liste unterstützt das KI bei dieser wichtigen Querschnittaufgabe.

3. Soziale Infrastruktur und Gesundheitsversorgung

Die Grün – Offene Liste setzt sich dafür ein, dass die Förderung der „Interkulturellen Zentren“ nicht als freiwillige Leistung, sondern als Pflichtleistung der kommunalen Verwaltung gezählt wird. So können gewachsene Strukturen gefestigt und die soziale Infrastruktur gestärkt werden (siehe auch Punkt 2, Stadtverwaltung).

Zur Stärkung der Sozialen Infrastruktur zählen wir auch die Gesundheitsversorgung. Allen Menschen, die in Köln leben, muss das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Heilung, Anerkennung und Prävention vor allem bei vermeidbaren Verschlechterungen von gesundheitlichen Zuständen anerkannt werden. Daraus folgt, dass es allen Menschen möglich sein muss, zum Arzt bzw. zu einer Ärztin gehen zu können. Wir verstehen Gesundheit nicht im Sinne einer Fit-für-den-Arbeitsmarkt-Verwertbarkeit, sondern als grundlegendes Recht auf

  1. existentielle Sicherung im Sinne einer Grundversorgung
  2. den Zugang zu physischer und psychosozialer medizinischer Versorgung.

Und deswegen fordern wir:

  • den Ausbau der „Migranten Medizin“ nach dem Vorbild der Malteser. Dort können Menschen ohne Papiere und Versicherungsschutz medizinisch behandelt werden. Besonders für das rechtsrheinische Köln fordern wir mindestens eine Anlaufstelle. Die Mehrsprachigkeit und Diversität der Stadt lässt sich auch hier nutzen, indem mehrsprachiges Personal geschult und eingestellt wird, um die Verbesserung der medizinischen Versorgung aller Menschen auszubauen.
  • die Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in Köln und die stärkere Forcierung einer diversitätssensiblen und rassismuskritischen Öffnung der Sozialen Dienste. Mit dem Gesundheitszentrum für Migrant*innen in Köln gibt es bereits eine wichtige Anlaufstelle, die hervorragende Arbeit leistet und weiter unterstützt werden muss. Das Gleiche gilt für die wichtige Arbeit des Therapiezentrums für Folteropfer vom Caritasverband der Stadt Köln, wo schwerst traumatisierte Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten u.a. psychotherapeutisch begleitet werden. Auch Frauen*häuser leisten wichtige Arbeit im Schutz vor Gewalt und der Bewältigung von Gewalterfahrungen. Um die Anonymität als Schutzfaktor jedoch gewährleisten zu können, bedarf es großer Anstrengungen.
  • die Erweiterung und Überarbeitung des Kriterienkatalogs für die Zulassung von Psychotherapeut*innen auf diverse sprachliche Kompetenzen und dass mehr muttersprachliche Psychotherapeut*innen in Köln eine Niederlassungserlaubnis bekommen, um dem erhöhten Bedarf an muttersprachlichen Psychotherapeut*innen in Ansätzen gerecht zu werden. An ausgebildeten muttersprachlichen Therapeut*innen mangelt es nicht. Wir bemängeln, dass sie derzeit keine Zulassung erhalten, da es laut der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln eine Überversorgung von Psychotherapeut*innen gibt – die größtenteils keine Muttersprachler*innen sind.
  • den Ausbau von mehrsprachigen weiteren Therapiemöglichkeiten, die den Umgang mit Suchterkrankungen wie Alkohol-, Cannabis-, und Medikamentenabhängigkeit erleichtern. Selbsthilfegruppen wie das Blaue Kreuz und der Kölner Suchthilfe e.V. leisten wichtige Unterstützungsarbeit, allerdings ist es unbedingt notwendig, die Teilnahme an den Gruppen für Interessierte zu erleichtern sowie Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Angehörigen und Kinder auszubauen. Und das insbesondere, weil das Risiko, im Falle einer Drogensucht keine Unterstützung zu erfahren und wenige Möglichkeiten zu haben, konkrete Angebote in Anspruch zu nehmen für Menschen besonders erhöht ist, deren Zugang zum Gesundheitssystem und gemeinschaftlichen Sozialleben aufgrund prekärer Lebensverhältnisse ohnehin eingeschränkt wird (wie für Menschen, die in Unterkünften leben und/oder illegalisierte Menschen, die untergetaucht auf der Straße leben müssen).
  • die Umsetzung von Quartierskonzepten, die kultursensible Aspekte beinhalten, um die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung im vertrauten Wohnumfeld ein selbstbestimmtes Leben im Alter führen können. So sollten sie auch bei einer Pflegebedürftigkeit möglichst lange in ihrem Veedel versorgt sein. Zudem setzen wir auf ein vielfältiges Angebot an Pflege und Betreuung vor Ort. Alternative Wohnformen wie generationsübergreifendes Wohnen und Pflege-WGs wollen wir stärker fördern. Wenn ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit nicht mehr möglich ist, müssen auch stationäre Pflegeeinrichtungen sich stärker interkulturell, diversitätssensibel und rassismuskritisch öffnen und mehr kultursensible Angebote entwickeln. Das SBK-Köln Mülheim hat bereits ein hervorragendes Konzept entwickelt. Neben der kultursensiblen ambulanten Versorgung fordern wir auch mehr kultursensible stationäre Angebote in Köln, um dem Mehrbedarf zu begegnen. Wir sehen zudem einen grundlegenden Bestandteil der Gesundheitsversorgung darin, den Umgang mit dem Tod und Trauer kollektiv, das heißt auch generationsübergreifend, bewältigen zu können. So müssen gerade auch in der palliativen Versorgung kultursensible Angebote stärker forciert werden.

4. Gegenwartsbewältigung

Köln ist kein diskriminierungs- und rassismusfreier Ort.

Durch die medial aufgeladenen Debatten rund um die Themen Flucht, Migration, Integration und Islam in der Politik, der Medienberichterstattung und in der Öffentlichkeit erleben BIPOCs sowie Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung einen massiven Anstieg von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung. Der aktuelle Jahresbericht des Antidiskriminierungsbüros der Caritas bestätigt diese Entwicklungen und den gestiegenen Bedarf an Beratung und Unterstützung.

Auch die Auslebung der geschlechtlichen Identität sowie der sexuellen Orientierung ist – wenn überhaupt möglich – für viele Menschen im Alltag von Gewalt und Ausgrenzung geprägt, wenn sie nicht heterosexuell bzw. geschlechtlich „eindeutig“ ausgerichtet leben. Da queer, lesbisch, schwul, bisexuell, inter* oder trans* zu sein auch trotz der jährlich stattfindenden ColognePride in Köln immer noch nicht selbstverständlich ist, gilt es, Diskriminierung und LGBTIQ+*-Feindlichkeit aktiv auf allen Ebenen entgegenzutreten. Auch hier sind BIPOCs sowie Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung am stärksten Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen ausgesetzt, auf die es zu reagieren gilt.

Mit der Info- und Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS- Dokumentationszentrum existiert bereits eine gute Einrichtung, die das Bewusstsein für Menschenrechte, Demokratie, kulturelle Vielfalt und Gewaltfreiheit fördert und rechtsextremen Denk- und Handlungsmustern vorbeugt.  Seit letztem Jahr gibt es beim NS-Dokumentationszentrum auch die Stelle „m²: miteinander/mittendrin“, die sich mit Antisemitismus und Rassismus auseinandersetzt. Dies ist zunehmend wichtig, um Rechtspopulist*innen wie der AfD und Pro Köln entgegenzutreten, und vor allem um etwas gegen alltäglichen Rassismus in Köln zu tun.

Der Beitritt Kölns zur Städte-Koalition gegen Rassismus war ein erster wichtiger Schritt. Es hat jedoch viele Jahre gedauert, diesen Prozess in Gang zu bringen und transparenter zu gestalten. Die Verwaltung hat sich jetzt auf den Weg gemacht, die Umsetzung strukturierter anzugehen, was zu begrüßen ist. Diesen Prozess werden wir insbesondere unter rassismuskritischen Aspekten sehr eng begleiten.

Der Aktionsplan muss konsequent umgesetzt und weiterentwickelt werden. Die von uns mitinitiierte „Infostelle gegen Rechts“ wollen wir ebenso wie das NS- Dokumentationszentrum stärker unterstützen. Beide Einrichtungen leisten wertvolle Arbeit, um rechtsextremem und rassistischem Gedankengut aktiv entgegen zu wirken.

Wir fordern, dass städtische Antidiskriminierungs- und Antirassismusstrukturen wie u.a. die Antidiskriminierungsbüros der Caritas und das Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. (ÖgG) nachhaltig gestärkt werden, um dem Mehrbedarf zu begegnen, mehr Ratsuchende zu unterstützen und langfristig mehr Empowerment-Angebote machen zu können. Gleichzeitig werden wir uns auch für eine linksrheinische Anlaufstelle einsetzen.

Wir werden uns auch für die Realisierung des längst überfälligen NSU-Mahnmals in der Keupstraße in Köln-Mülheim zum Gedenken an die Opfer rechter Gewalt einsetzen.

5. Ökologische und soziale Stadtgestaltung – grün von unten für alle!

Bei allen Entscheidungen müssen die Auswirkungen auf Klima und Umwelt geprüft werden. So muss z.B. jede neue Versiegelung von Boden, jeder neu gebaute Autoparkplatz und jede neue Straße geprüft werden. Die Stadt Köln hat den Klimanotstand ausgerufen, hier müssen Konsequenzen folgen.

Umweltgerechtigkeit ist soziale Gerechtigkeit. Daher muss sie ein Hauptkriterium bei der Stadtgestaltung und -entwicklung sein. Randbezirke und die dort lebenden Menschen sind oft besonders durch Versiegelung, Luftbelastung und Überhitzung betroffen und es gibt anteilig deutlich weniger qualitativ hochwertige Grünflächen. Es müssen wohnortnahe Frei- und Grünflächen geschaffen werden, saubere Luft gefördert werden, und somit gesunde Umwelt- und Lebensverhältnisse für alle geschaffen werden (z.B. durch Konzepte wie Naturerfahrungsräume)!

Darum bedarf es der Förderung von Umwelt- und Naturschutzprojekten und der Bildungsarbeit zu diesen Themen (Bildung für nachhaltige Entwicklung).

Wir brauchen Freiräume und Orte des Miteinanders, wo kollektiver und solidarischer Austausch, Selbstorganisation und Mitgestaltung für alle Menschen möglich ist, wie z.B. der solidarische Garten Pflanzstelle e.V. Die vorhandenen Orte dieser Art müssen gefördert sowie neue Orte und Angebote geschaffen werden.

Bei Stadtgestaltung und Entscheidungsprozessen müssen diejenigen Menschen mit einbezogen werden, die von den Entscheidungen betroffen sind. Hierfür braucht es neue Konzepte der Beteiligung, die die Diversität der Stadtgesellschaft (z.B. mit diversen Übersetzungen und Sprachangeboten) mitdenken und abbilden.

Die Reinigungsfrequenz der AWB soll überall in der Stadt verstetigt werden. Die AWB ist verpflichtet Gehwege wöchentlich sauber zu machen. Diese Regelung soll flächendeckend in allen Straßen entsprechend umgesetzt und auf Grünflächen ausgeweitet werden. Menschen müssen sich an ihrem Lebensort wohlfühlen können. Das gilt besonders für das eigene Zuhause, für die Orte, an denen ihre Kinder spielen und die Orte, die sie auf dem Weg zur und von der Arbeit passieren.

6. Bildung (KITA, Schulen, Übergang Schule Beruf, Studium)

Unser Ziel ist Bildungsgerechtigkeit in allen Bereichen, für alle Altersgruppen, d.h. Chancengleichheit herzustellen, die sich an tatsächlichen Lebensumständen orientiert. Je nach Bildungsbereich bedarf es dazu entsprechender Ziele.

6.1 KITAs und KIGAs

  • KITAs und KIGAs sollen beitragsfrei sein. Tagesmütter und Tagesväter sind kein gleichwertiger „Ersatz“ für einen KITA/KIGA Platz, weswegen der KITA und KIGA-Ausbau weiter forciert werden soll;
  • Es bedarf mehr bilingualer Kindergärten und Schulen (von Grund- bis Weiterführende Schule);
  • Mehrsprachige Betreuungsangebote in Einrichtungen müssen etabliert sowie mehrsprachige Potenziale von Mitarbeitenden und aus Familien genutzt werden, um sie in die Elternarbeit (Elternkreisen, Elternabenden usw.) einzubeziehen. Es gilt die Partizipation zu erhöhen;
  • Für die Anmelde- und Bewerbungsverfahren für KITAs braucht es mehr Unterstützung für Eltern und Erziehungsberechtigte, um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geltend machen zu können (z.B. im Umgang mit dem Little-Bird-Portal), durch konkrete Verweise auf bereits existierende mehrsprachige Anlauf- und Beratungsstellen wie Elternbüros und -cafés;
  • Ausbau der Betreuungsplätze für U3-Kinder (Kleinkinder ab sechs Monaten bis drei Jahre) durch die Einbindung weiterer sozialer Einrichtungen, die bereits essenzielle Beiträge für eine lückenlose Übergangsbetreuung gewährleisten. Mit ihren Angeboten erleichtern sie nicht nur den (Wieder-)Einstieg in den Bildungs- und Arbeitsmarkt für Eltern und Erziehungsberechtigte, sondern bereiten auch den Übergang ihrer Kinder von privater Betreuung in die KITA vor. Allerdings benötigt es strukturelle Förderung, damit die Betreuungsangebote nicht von Projektlaufzeiten abhängig sind, sondern ihre Ausgestaltung und damit auch die Weiterentwicklung von pädagogischen Konzepten finanziell sichergestellt werden kann. Anzuführen sind hier Brückenprojekte, die an das städtische Stufenkonzept Frühe Bildung angegliedert sind (zum Beispiel U3-Kinderbetreuungsangebote bei Sprachkursträgern). Eine weitere Verzahnung kann dann entstehen zwischen sozialen Einrichtungen, die Brückenprojekte anbieten, und KITAs – zum Beispiel durch gegenseitige Besuche, gemeinsame Projekte und Ausflüge in den jeweiligen Stadtteilen – sodass Partizipationsmöglichkeiten über die Alltagswelt der jeweiligen Einrichtung hinausgehen und die Gestaltung als Teil der vielfältigen Stadtgesellschaft von Klein auf als Bestandteil des alltäglichen Miteinanders gelebt wird.

6.2 Schule

  • Ausbau der Offenen Ganztagsschulen (OGS) Plätze durch Einbindung weiterer sozialer Einrichtungen im Umfeld der jeweiligen Schulen. Einerseits können so mehr Kinder betreut werden, andererseits soziale Einrichtungen eine strukturelle Förderung erhalten. Damit werden auch Kooperationen zwischen Schulen und freien Trägern verstärkt und schulische und außerschulische Bildungsangebote besser miteinander verzahnt.
  • Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen
  • Die Elternarbeit soll verstärkt werden, um sowohl Mitspracherechte als auch Beschwerdemöglichkeiten bei der Stadtverwaltung zu ermöglichen.
  • Wir treten dafür ein, dass Schüler*innen aller Konfessionen in Primar- und Sekundarstufe gemäß den Vorgaben des Landes jeweils ihren gewünschten Religionsunterricht oder Ethik-Unterricht bekommen können. Aus dem Grundrecht auf Religionsfreiheit leitet sich auch das Recht ab, Moscheen zu errichten, die sich nicht verstecken müssen. Im Zuge der Chancengleichheit für alle Religionsgemeinschaften begrüßen wir die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG und die Einrichtung eines zusätzlichen Ethik-Unterrichtes. Hierzu fordern wir perspektivisch in Deutschland mehr ausgebildete Lehrer*innen für islamische Religion und die Einrichtung eines islamisch-theologischen Lehrstuhls an der Universität zu Köln.
  • Demokratiebildung ist eine Querschnittsaufgabe aller Schulen. Der Lehrplan muss um bestimmte schulische und außerschulische Projekte ergänzt werden, die gezielt zum Demokratieverständnis beitragen.
  • Langfristig soll der Lehrplan insbesondere im Bereich der Fremdsprachen erweitert werden, um das fremdsprachliche Angebot zu erweitern und damit die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Fremdsprachen zu fördern und strukturell zu verankern. Das Angebot an neuen schulisch repräsentierten Fremdsprachen richtet sich dabei an den tatsächlich vorhandenen Fremdsprachen in der Gesellschaft. So können mit der Zeit bspw. auch Arabisch, Türkisch, Russisch, Kurdisch, Polnisch in das fremdsprachliche Angebot einfließen und erhalten damit eine kulturelle und Bildungsrelevante Aufwertung.

6.3 Studium

Rechte von Studierenden stärken

Wir fordern die gleichen Rechte für Studierende aus und außerhalb der EU. Langfristig soll die Regelung, dass Nicht-EU Studierende insgesamt nur 120 Tage oder 240 halbe Tage im Kalenderjahr arbeiten dürfen, wegfallen. Bis dahin soll die Berechnung der Arbeitstage erweitert werden: Jeder Arbeitstag mit mehr als acht Arbeitsstunden soll als ganzer Tag gezahlt werden und jeder Arbeitstag mit bis zu sechs Arbeitsstunden als halber Tag. Ebenso sollen freiwillige Praktika nicht mehr unter die 120/240-Tage-Regel fallen und unabhängig der Regelung möglich sein.

Studienabschlüsse anerkennen

Die im Ausland abgeschlossenen Studien und Ausbildungen sollen in Deutschland schneller und gezielter anerkannt werden. Eine schnellere Anerkennung muss fokussiert werden, damit ausländische Abschlüsse schneller zum Arbeiten innerhalb Deutschlands befähigen und Perspektiven eröffnen. Insbesondere die Kompetenzfeststellungsprüfung, die zurzeit nur in wenigen IHK und HK Berufen möglich ist, soll auf Berufe ausgeweitet werden, die durch einen Studienabschluss erworben worden sind.

Die Bedingungen um die dafür notwendigen Dokumente und Informationen (Ausweise, Übersetzungen, Beglaubigungen) zu beschaffen, müssen verbessert und erleichtert werden. Wir fordern bedürfnisorientiertere und schnellere Abläufe in Anerkennungsverfahren und setzen dabei auf das Einbeziehen von migrantisch positioniertem Expert*innenwissen in den jeweiligen Bereichen (siehe 2. Stadtverwaltung)

6.4 Erwachsenenbildung

  • Zugang zur Sprachförderung ausbauen, indem auch Menschen mit einer sogenannten „Bleibeperspektive“ einen Integrationskurs besuchen können.
  • Außerdem streben wir den Ausbau der Kinderbetreuung in weiterführenden Sprachkursangeboten (B2-Kurse) an, damit allen Erziehungsberechtigten die Möglichkeit zur Verfügung steht, diese Kurse zu nutzen.

6.5 Übergang in das Rentenalter

Wir fordern eine strukturelle Erleichterung und finanzielle Absicherung des Übergangs von der Berufstätigkeit in das Rentenalter.

  • bedingungslose Grundrente bzw. Rentenaufstockung
  • schrittweiser Austritt aus dem beruflichen Alltag, zum Beispiel bei Erwerbstätigkeit in vollem Umfang
  • generationenübergreifende Wohn-, Lebens- und Bildungsangebote, wie bspw. das Projekt „Wohnpartnerschaften zwischen den Generationen“
  • Partizipations- und Mitgestaltungsmöglichkeiten auch in höherem Alter zum Beispiel trotz eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten

7. Kulturelle Teilhabe und Freizeit

Durch eine lebensnahe Stadtplanung soll eine ausgewogene Mischung zwischen Wohnraum, Gewerbeflächen, Kulturstätten, Freizeitmöglichkeiten und öffentlichen Einrichtungen geschaffen werden. Dafür muss zum einen die Stadtplanung transparenter gemacht werden und zum anderen die von der Planung betroffenen Lebensräume aktiv einbezogen werden. Wir begrüßen daher die Einrichtung des Migrationsmuseum in Köln-Kalk sehr und setzen uns für eine zeitnahe Umsetzung ein.

Eine entsprechend offene Bedarfsanalyse soll Neubauten vorausgehen, und es sollen Quoten festgesetzt werden, die zumindest stadtplanerisch heterogene Strukturen schaffen und damit einer Ghettoisierung durch fehlende öffentliche Kultur- und Freizeitangebote auf der einen Seite, und einer Gentrifizierung durch Aufwertung, Sanierung und Umbau andererseits, entgegenwirken. Das heißt auch, dass bestimmte Flächen für Kultur- und Freizeitangebote reserviert bleiben müssen.

8. Medien

Die digitale Infrastruktur der öffentlichen Bibliotheken muss ausgebaut werden. Das ermöglicht einen barrierefreien Zugriff auf Bildung und Unterhaltung von zu Hause, aus Krankenhäusern und jeglichen anderen Orten wie Unterkünften für geflüchtete Menschen oder Menschen ohne Obdach. Das Erlernen von Medienkompetenzen und das Wissen über Datenschutz müssen im schulischen Lehrplan verankert werden.

Stadtrelevante Informationen sollten auf einer eigenen Infoseite, gegliedert nach Bereichen und mehrsprachig zur Verfügung stehen. Notwendig ist außerdem, digitale Formate zu nutzen und ein mehrstufiges Informationsportal aufzubauen, um Teilhabe zu erleichtern und das politische Geschehen auf kommunaler Ebene transparenter zu gestalten – jede*r soll sich unkompliziert und niedrigschwellig informieren können. Wir begrüßen daher die Entwicklung des Medienkompetenzrahmen vom Ministerium für Schule und Bildung NRW und engagieren uns für einen zeitnahe Umsetzung der Rahmenbedingungen hier in Köln.

9. Mobilität

Das Ziel ist eine autofreie Innenstadt. Dafür muss die Stadt das Autofahren schrittweise unattraktiv machen. Der alltägliche private Autoverkehr soll schrittweise aus der Stadt verlagert werden, damit sukzessive autofreie Zonen entstehen können. Angefangen mit den innerstädtischen Ringen, über die innere Kanalstraße bis hin zu den Gürteln. Gewerblicher Verkehr kann davon ausgenommen werden; unter bestimmten Auflagen ist auch die private Autonutzung weiterhin möglich, wenn sie zum Beispiel zu Barrierefreiheit und mehr Mobilität für vulnerable Gruppen beiträgt. In allen anderen Fällen kann bspw. mit einer Kilometerpauschale pro Auto und Jahr gerechnet werden.

Im Gegenzug ist die Versorgung durch den ÖPNV konsequent auszubauen. Wir wollen einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für alle in Köln gemeldeten Menschen etablieren (bspw. möglich durch eine Anhebung der Kfz-Steuer). Zum Ausbau der Infrastruktur im ÖPNV zählt auch die Versorgung durch kostenlose Mietfahrräder nach dem KVB-Nextbike-Modell und der Ausbau von Fahrradstraßen. Das Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr als ausreichende Garantie für die Erreichbarkeit der relevanten Lebensbereiche von Wohnen, Arbeit, Bildung, Kultur und Freizeit zu schaffen. Die Erreichbarkeit in den Randgebieten kann über Park&Ride-Systeme oder Kleinbusse, die nach Bedarf vorgegebene Routen fahren, möglich gemacht werden.

Als konkrete Maßnahme fordern wir den Ausbau der KVB-Linie 13 zu einer Ringbahn wie bspw. in Berlin. Vom Mülheimer Bahnhof soll die Strecke der Linie 13 über Buchheim – Merheim – Neubrück – Ostheim – Gremberghoven – Poll mit der Südstadt bis Sülz verbunden werden. Damit nehmen wir einen Plan der Stadt auf. Ein weiteres Projekt muss die Anbindung des Kölnbergs durch eine Straßenbahn oder Stadt-/U-Bahn sein.

Alle öffentlichen Gebäude sollen barrierefrei zugänglich sein, zugleich muss es eine bessere Übersicht über Störungen in der Barrierefreiheit im ÖPNV geben und schneller dafür gesorgt werden, diese Störungen zu beheben.

10. Wohnen

Unser Ziel ist, ausreichend Wohnraum für alle zu schaffen. Das heißt zuerst, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, neuen Wohnraum zu schaffen und vorhandenen Wohnraum in städtischer Hand massiv auszubauen. Niemand soll in prekären Lebensverhältnissen – auf der Straße, und schon gar nicht illegalisiert und menschenunwürdig – leben müssen. Wir setzen uns gegen Segregation, Abschottung und Gentrifizierung ein und fordern daher insbesondere für Neuankommende dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten weiter auszubauen.

Wir sehen diese Aufgabe bei der Stadt und nicht bei dem freien Wohnungsmarkt, denn es ist offensichtlich, wie dieser dabei versagt hat, genug bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Stadt Köln hat sich zwar auf den Weg gemacht diese Bedarfslage anzugehen, aber der Bedarf höher ist. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Angebot ausgeweitet wird. Wir orientieren uns am Wiener Beispiel. Bei ausreichend vorhandenem Wohnraum in städtischer Hand kann die Stadt ihre Aufgabe bedürfnisorientiert angehen und nach dem Prinzip housing first neu-angekommenen, wohnungslosen Menschen und Menschen in prekären Wohnsituationen zu Wohnungen verhelfen, um Wohn- und Obdachlosigkeit abzubauen. Dafür soll/sollen:

  • ein an Durchschnittseinkommen gebundener Mietendeckel eingeführt werden
  • die Stadt tritt selbst als Mieter und Vermieter auf und entzieht Immobilien somit dem privaten Immobilienmarkt um Immobilienspekulation entgegenzuwirken.
  • privates Vermieten unrentabel werden, bspw. durch eine Anhebung der Steuern auf Kapitalerträge durch Vermietung / Verpachtung
  • den städtischen Wohnraum an ein Quadratmeterpreis koppeln und gleichzeitig den Zugang zu bedarfsorientierten Zuschüssen (Wohngeld, Pflegegeld etc.) vereinfachen
  • andere Wohnstrukturen, wie Mehrfamilienhäuser, Mehrgenerationenhäuser, Studierendenwohnheime, Altersgerechtes Wohnen für Senioren-WGs gefördert werden
  • das Bauamt sorgt bei Neubauten für eine ausgewogene Mischung von Wohn-, Kultur-, Bildungsraum, Gewerbe- und Grünflächen. Um die Lebensräume heterogen zu gestalten und allen eine entsprechende Wohnqualität zu garantieren
  • Isolation von Einzelpersonen soll verringert bzw. vermieden werden. Gleichzeitig soll vorhandener Wohnraum generationsübergreifend (z.B. für Familien, Senioren-Erwachsene-Jugendliche-Kinder) nutzbar gemacht werden, da es hier Anknüpfungspunkte für Unterstützungsmöglichkeiten zur Alltagsbewältigung gibt (z.B. Einkaufen, Behördengänge, Übersetzung etc.)

11. Arbeit

Neben den im Ausland abgeschlossenen Studien und Ausbildungen (siehe 5.4) sollen auch berufliche Qualifikationen (Lohn- und Erwerbstätigkeit, Beschäftigung) sowie Berufserfahrungen in Deutschland entsprechend äquivalent übersetzt und anerkannt werden – das gilt sowohl für den „ersten“ und „zweiten“ Arbeitsmarkt (Staat und freie Marktwirtschaft) als auch für den „Dritten Sektor“ (Verbände, Gewerkschaften, lokale Vereine, Initiativen, selbstorganisierte Gruppen, Selbsthilfegruppen, Ehrenamt). Wir fordern eine Anerkennung von „gemeinwohlorientierten“ Tätigkeiten, auch wenn sie im Vorfeld nicht gesetzlich, berufsspezifisch oder vertraglich differenziert festgeschrieben und einheitlich geregelt worden sind (Formen der Anerkennung als Praktika, Freiwilligendienst, bürgerschaftliches bzw. ehrenamtliches Engagement, Projektarbeiten, selbstständigen Arbeiten, etc.).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt für Neu-Ankommende soll erleichtert werden. Dafür müssen Strukturen geschaffen werden, um bisherige Qualifikationen schneller angleichen zu können. Eine Möglichkeit ist die Einführung eines bezahlten Praktikums bzw. verkürzte Ausbildung mit 1,5 Jahren Dauer. Damit werden vorhandene fachliche Kompetenzen anerkannt und die noch fehlenden sprachlichen Kompetenzen können zielgerichtet, d.h. in den Fachbereichen selbst, nachgeholt werden. Diese Art Praktikum wäre eine strukturelle Möglichkeit ausländische Arbeits- und Bildungsverläufe wertzuschätzen und würde gleichzeitig eine personen- und bedarfsorientierte Angleichung der verschiedenen Verläufe ermöglichen. Außerdem wird Menschen mit berufsqualifizierendem Abschluss ohne Jobperspektive der Quereinstieg damit erleichtert. Dieses ausbildungsähnliche Praktikum muss entsprechend bezahlt werden. Praktische und / oder theoretische einheitliche Tests schließen diese Einstiegsmaßnahme ab. Für Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss gelten die normalen schulischen Bedingungen. Unternehmen, die diese Chancen anbieten, könnten bezuschusst werden.

Wir streben eine Flexibilisierung der geregelten wöchentlichen Arbeitszeit und gleichzeitig eine Verringerung der gesetzlich vorgesehenen Regelarbeitszeit auf 30 Stunden an. Mehrarbeit soll weiterhin möglich sein, doch die Teilzeitarbeit soll grundsichernd sein, d.h. dass es ein Mindestlohn gibt, der dieser Grundsicherung bei 30 Arbeitsstunden die Woche möglich macht.

Zeitarbeitsfirmen sollen auf Dauer abgeschafft werden und das Jobcenter noch stärker als Arbeitsvermittler aufgestellt werden. Auch dafür braucht es mehr Personal, um bedürfnisorientiert zu arbeiten. Der Vermittlungsdruck darf nicht auf die Jobsuchenden abgewälzt werden. Wir wollen weg von dem Prinzip des Forderns und hin zum Prinzip der Förderung. Deshalb stellen wir die Forderung, Vermittlungsangebote stärker an den Bedarfen und Kompetenzen der Jobsuchenden auszurichten. Die ausschlaggebende Frage ist hier: Was braucht ein Mensch, um arbeiten gehen zu können?

Redaktionsteam

Ahmet Edis

Elizaveta Khan

Mona Leitmeier

Dorsa Moninipour

mit Unterstützung von Anna Pia Jordan-Bertinelli, Philipp-Bo Franke, Jonas Linnebank und Salman Abdo bei der graphischen Umsetzung

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Grün – offene Liste Migration Köln

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Dieses Wahlrprogramm wurde im Rahmen der Sitzung am 10.07.2020 einstimmig beschlossen.